Reisebericht 14: Leben in Kasachstan

In Kasachstan kann man alles kaufen, nicht nur Produkte in den Läden sondern auch Universitätsdiplome, Zeugnisse, Panzer, Kampfflugzeuge und andere nützliche Dinge. Die Korruption ist allgegenwärtig. Staatsdiener sind wegen ihres niederen Monatseinkommen auf einen Zustupf angewiesen. Um die käuflichen Universitätsdiplome kümmert sich der Rektor persönlich. In den Hotels und Diskotheken bieten auch Frauen und junge Männer ihre Dienste gegen harte Dollars an. In der Stadt Almaty wird uns bewusst, wie dramatisch sich der Wandel der ehemaligen Sowjetrepublik Kasachstan zu einem unabhängigen Staat vollzogen hat. Während bei unserem letzten Besuch 1993 die Strassen noch leer und Restaurants schwer zu finden waren, prangt nun an jeder Strassenecke eine Leuchtreklame, welche auf ein Cafe, einen Laden oder gar ein Kasino hindeutet. Der freie Markt hat Einzug gehalten, ohne Schranken und Verbote. In den teuren Restaurants sieht man vorab junge Leute, welche ihre schicken Wagen genüsslich und theatralisch vor dem Eingang abstellen. Gleich nebenan betteln alte Frauen um Almosen. Ihre monatliche Rente reicht nicht einmal, um sich ein einiziges Nachtessen im Restaurant zu leisten. Dabei ist Kasachstan auf dem Papier eines der reichsten Länder der Welt. Das geschätzte Ölvorkommen beträgt mehr als 10 Mio Barrel pro Kopf. Dank der schlecht organisierten Staatswirtschaft bekommmt die Bevölkerung aber davon nicht viel ab. Kazachstans Wirtschaft liegt am Boden, das offizielle mittlere Monatseinkommen liegt unter der 100 USD Marke.

Wir wohnen in Almaty, der südlichen Hauptstadt, in einer 3-Zimmerwohnung, welche uns eine Deutschlehrerin für einige Tage vermietet. Auch sie ist darauf angewiesen, ihre eigene Wohnung zu vermieten, um ihre Familie ernähren zu können. Ihr offizieller Lohn beträgt nicht einmal 60 Dollar pro Monat. 1995 wurde die Hauptstadt Kasachstans in den Norden nach Astana verlegt, da Almaty zu nahe an China und Kirgistan liege. Astana wurden als neü Stadt gegründet und alle wichtigen Staatsfunktionen hierhin verlegt, nach offiziellen Angaben. Tatsächlich sind aber die wichtigsten Regierungsstellen in Almaty, die Botschaften und sogar der Präsident selbst. Wie in Asien (ausser Kirgisien) ist uns auch die Polizei in Kasachstan auf den Fersen. Bei einem Ausflug in den nahegelegenen Nationalpark (sehr sehenswert) geraten wir in die Fänge der Kriminalpolizei, welche gerade an einem Wegrand einen ermordeten Mann gefunden hat. Wir geben unsere Personalien an und reden noch ein Weilchen über die Schweiz, welche die Polizisten mehr zu interessieren scheint als der Tote. Natürlich kann man auch Killer kaufen und politische und wirtschaftliche Morde sind nicht selten. So berichtete die Zeitung von einem Mord an einem Wirtschaftsführer, welcher Waffen aus den Beständen der Russischen Armee in grossen Mengen nach Irak und Kongo verkauft hatte, für offiziell 12 Mio Dollar, darunter einige Kampfflugzeuge, Panzer, und anderes schwerers Geschütz. Der Kaufpreise dürfte doch wohl inoffiziell wesentlich höher gewesen sein, und wahrscheinlich hat der Mann seine Helfer und Genossen im Armeeministerien nicht genügend mitverdienen lassen.

Ausländer müssen sich registrieren lassen und so machen wir einen weiteren Gang zu den Polizeibehörden in Almaty. Das Büro ist Donnerstags geschlossen: Tage der Profilaxe, wie die Übersetzung aus dem Russischen lautet. Was das bedeutet weiss niemand, wichtig ist nur, dass das Büro geschlossen ist. So müssen wir am Freitag wieder erscheinen, da nach Gesetz die Registrierung innerhalb 72 Stunden nach Ankunft zu erfolgen hat. In dem kleinen Raum drängen sich Duzende von Leuten vor einem kleinen Schalter, der von 11 Uhr bis 12.15 die Pässe entgegen nimmt. Die Leute sind nervös, ungeduldig und schreien sich an. Im Raum riecht es nach Schweiss und Gummisohlen. Wir stehen kurz vor 12.15 nach einstündigem Warten vor dem Schalter, durch dessen kleine Öffnung uns eine uniformierte Dame bedient. Natürlich sind unsere Papiere unvollständig, und wir sollten bei einem weiteren Schalter Papiere bekommen. Dort heisst es aber, dass wir überhaupt uns hier nicht registieren könnten, da unser Visa schon vor zwei Wochen abgestempelt worden sei. Dies stimmt tatsächlich, denn bei der Fahrt von Taschkent (Usbekistan) nach Kirigisen sind wir ja durch Kasachisches Gebiet gefahren und die Grenzbeamten haben irrtümlicherweise schon unser noch ungültiges Kasachisches Visa abgestempelt. Nach einigen Erklärungsversuchen, welche nichts fruchten, wird es uns aber zu bunt und wir verlassen den unwirtlichen Ort, um frische Luft zu schnappen. Die Registrierung ist überigens wie überall nur ein Eintrag in ein grosses Buch. Dieser wird möglicherweise später von jemanden in einen Computer eingegeben wird, ansonsten die Übung ja unsinnig wäre. Ob das so ist, weiss allerdings auch niemand.

Kaufen müssen wir schliesslich auch ein Taxi, das uns bis zur chinesischen Grenze im Norden bringt, denn der Bus, der von Almaty bis nach Urumqi in China fahren sollte, fährt aus unersichtlichen Gründen nicht. So fahren wir 400 km mit dem Taxi durch eine einöde Steppe, bis sich entlang des Ili-Flusses wieder ein Gebirge, das die Grenze zu China markiert, vor uns erhebt. Natürlich kennt der Taxifahrer auch den üblichen Trick: er fährt für den zuerst abgmachten Preis (40 Dollar) bis zum Grenzort, nicht aber zur Grenze. So müssen wir nach einem heftigen Streit nochmals einige Dollars draufzahlen. Wir merken, dass wir Glück gehabt haben. Die Grenze, welche nur wenige Ausländer passieren, war gerade für 4 Tage geschlossen und nur am heutigen Montag erst gerade wieder geoffnet. Wir sind froh, Kasachstan mit seiner Bürokratie und der Gier seiner Beamten, welche sich beim Grenzübergang nochmals bestätigt, verlassen zu können. Unser Visa wurde überigens nicht mehr beanstandet und nach einer Registration fragte auch keiner!

Um noch einige positive Seiten von Almaty zu erwähnen, darf gesagt werden, dass die Stadt sehr grün und sauber ist, mit den imposanten Gebirgszügen des Tien-Shan im Norden aufragend. Viele Naturschutzgebiete und Gebirge laden zu ausgiebigem Wandern bis zu Hochgebirgstouren ein. Essen und insbesondere die Abendunterhaltung in Klubs gleicht einer westlichen Stadt. Wir vergnügen uns in der Neutralnaya Zona, einem Gay-Club eines Nachts bei Discomusik und wildem Tanz. Der Klub ist überigens nicht so gay, wie der Name es behauptete!