Reisebericht 10: Im Land des Turkmenbashi

Turkmenistan ist ein Wüstenstaat, der mit nur ca. 5 Mio Einwohnern zu den dünnst besiedelten Ländern der Welt gehört. Seit der Unabhängigkeit 1991 hat sich Saparmurat Nyazov, ein ehemaliger KP Führer, zum Führer aller Türken, zum Turkmenbashi, erklärt. Dass er nebenbei auch noch Präsident, Premierminister ist (auf Lebenszeit) und keinerlei Opposition duldet, widerspricht dem Demokratieverständnis der Turkmenen aber offensichtlich keinenswegs. Viele Turkmenen, die wir treffen, sind stolz auf dessen Erfolge. Diese sind für den Besucher vor allem in der Hauptstadt Ashchabat sichtbar: prunkvolle, riesige Bauten als Denkmäler und Paläste, die der Regierung, oder eben dem Turkmenbashi, gehören. Ausserhalb der Stadt besitzt jedes Ministerium ein eigenes Hotel. Alle stehen sie, jedes prunkvoller als das nächste, in Reih und Glied und warten auf Kundschaft. Die Ministerien selbst, das Parlament, der Präsidentensitz und sonstige Regierungsgebäude sind ebenfalls neu erbaute, edle Paläste mit Gärten, Brunnenanlagen, und grosszügigen Plätzen.

In der Stadt ist an jedem Gebäude ein riesiges Plakat mit dem Antlitz des Turkmenbashi aufgehängt, und an jeder Strassenecke steht bereits ein Denkmal. Lenin wäre da direkt neidisch geworden. In Aschchabat selbst gibt es tatsächlich keinerlei Überresten von älteren Bauten mehr: bei einem verheerenden Erdbeben 1948 wurde die Stadt vollständig zerstört und schliesslich von den Russen neu aufgebaut. Einige alte interessante Lehm- und Ziegelbauten sind ausserhalb der Stadt in der Stadt Nisa zu sehen, welche von Alexander dem Grossen gegründet worden sein soll. Wir treffen in Nisa einige italienische Archeologen und erfahren die detaillierte Geschichte der Königsanlage, die jetzt wieder ausgegraben wird. Gleich neben Nisa befindet sich wohl auch die grösste und längste Treppe der Welt: über mehr als 21 km Länge hat der Turkmenbashi über baumlose Hügel und Täler einen Treppenweg aus Beton anlegen lassen, mit nächtlicher Beleuchtung natürlich. Grandios! Wir nehmen einige Stufen der Treppe, treffen aber ausser Soldaten niemanden an. Sonst würde es wohl auch niemandem einfallen, hier zu laufen. Es ist nämlich unerträglich heiss. 45 Grad im Schatten, in den Strassen Aschchabats und in der direkten Sonne wohl noch einige Grad mehr. So flüchten wir uns am Nachmittag in den Swimmingpool des Hotels (ein prachtvoller Neubau mit allem Komfort) oder flanieren in einem neu erstellten, modernen Shopping-Center mit Marmorböden. Ausserhalb der Stadt soll es auch noch eine Stadt mit Duzenden von Hotels geben, in denen Spielsalons ihre Kunden anlocken. Ashchabat als Las Vegas von Turkmenistan ? Wir können die Gegensätze in diesem Land kaum mit Worten beschreiben: ausserhalb der Hauptstadt leben die Leute mit geringstem Monatsverdienst wie im Mittelalter, Esel und Pferde sind die üblichen Transportmittel.

Wir fahren mit dem Zug Richtung Usbekistan, vorbei am Rande der grossen Sandwüsten. Im Zug laden uns einige turkmenische Bergbauern zu Vodka und Wurst ein und erzählen uns über ihr hartes Leben an der Grenze Turkmenistans zu Afghanistan und Usbekistan, einem Grossanbaugebiet von Mohn. Sie sind zufrienden mit der neuen Führung und er Unabhängigkeit Turkmenistans. Dank dem Turkmenbashi erhalten sie pünktlich ihre Renten, und alle Frauen bekommen jedes Jahr zum Unabhängigkeitstag ein Kleid geschenkt. Hoch lebe der Turkmenbashi!

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Last update: 25.9.2000, © Marco Ziegler