Reisebericht 11: Usbekische Abenteuer

Kurz vor Buchara, unserer ersten Station in Usbekistan, hält der Zug plötzlich im Niemandsland an, Kinder und Jugendliche springen mit Taschen und Koffern vom Zug und entschwinden unter dem Gehäul der Zugfahrenden und der Polizei im Sand und in nahestehenden Lastwagen, die sogleich davonbrausen. Wir sind gerade Zeugen eines Überfalls geworden. Die Kinder hatten sich offensichtlich auf das Dach des Zuges geschlichen, und von dort die über den Zugabteils liegende Abstellfläche geoffnet. Der Halt des Zugs ist per Notbremse erzwungen. Die uniformierten Zugsschaffner und einige Passagiere versuchen, den Kindern nachzurennen, doch die Taschen und Koffer verschwinden ebenso schnell wie ihre Diebe. Nach einigen Minuten ist der Spuk vorbei. Uns ist nichts abhanden gekommen, und der Zug setzt sich wieder in Bewegung. In Buchara angekommen, machen wir gleich auf dem Bahnhof schon einmal wieder Bekanntschaft mit der Polizei. Diese führt uns gleich zum Posten ab, um unsere Pässe zu registrieren. Genaustens werden alle Passangaben, unsere Reisedaten und Orte in ein grosses Journal eingetragen. Unsere Befürchtungen, dass wir nur nach einer Geldstrafe unsere Pässe wieder bekommen, bewahrheiten sich nicht. Die Polizisten zeigen sich äusserst freundlich und interessieren sich für die Schweiz. So unterhalten wir uns noch eine gute Stunde auf dem Polizeiposten und erfahren einiges über Usbekistan, z.b dass ein Polizist (mit einem dicken Stern) 21000 Sum pro Monat verdient (ca 30 USD), die Monatsmieten ca 1000 Sum betragen, das Wasser, Elektrizität und Gas kostenlos ist, der Liter Benzin 150 Sum kostet, etc. Zum Schluss helfen uns die Polizisten sogar, bei einem uns empfohlenen Reisebüro in Buchara anzurufen. Obwohl nur wenige Kilometer entfernt, muss das Telefongespräch bei der Telefonzentrale angemeldet werden. Doch schliesslich klappt sogar dies. Wir bedanken uns herzlich und tauschen noch Adressen aus.

Buchara ist eine Stadt mit viel Charme. Die Sehenswürdigkeiten liegen alle in der Altstadt, welche zu Fuss gut zu erkunden ist. Buchara war die Hauptstadt der Samaniden im 9. und 10. Jahrhundert und Asiens reliogöses und kulturelles Zentrum. Im Schatten von Maulbeerbäumen am Rande eines kleinen Teiches in der Stadtmitte mit Aussicht auf Minarettürmen, alten Karawansereien, Koranschulen und anderen Lehmziegelbauten, ist die Stadt ein wahrer Genuss. Es fällt uns auf, dass es hier auf den Strassen fast keine Autos gibt. Dementsprechend ist es sehr ruhig, und die auch die Luft sauber. Am Abend besuchen wir in einer ehemaligen Medresse (Koranschule) eine usbekische Folklore- und Modeschau, die selbst die italienischen Modemacher in den Schatten stellt. Die älteste Baustruktur ist das Schloss von Buchara (5. Jahrhundert), welches aber von den Russen bei der Eroberung Zentralasiens 1920 in Schutt und Asche gelegt wurde. Einige Strukturen sind noch erhalten, bzw. restauriert worden. Etwas ausserhalb liegt der Palast des letzten Emirs von Buchara, ein Märchen (und Kitsch) Schlösschen mit grossem Harem für die vielen Fraün des Emir.

Samarkand ist ähnlich wie Buchara: die älteren Gebäude sind alle um den Hauptplatz Registan mit den beiden Medressen angelegt. Samarkand wurde von Timur, dem Nationalhelden der Usbeken, 1370 gegründet und zur Hauptstadt des späteren Reiches der Timuriden erklärt. Viele Gebäude wurden von den Russen erst in diesem Jahrhundert nach dem Verfall der Stadt wieder restauriert bzw. rekonstruiert. So sind immer noch einige Moscheen in Baugerüsten gehüllt. In einer solchen in Renovationen stehenden Minerett bietet uns der Wächter die Besteigung des Minaretts an. Mit Taschenlampe kriechen wir schliesslich die engen Treppen, oder was davon noch übriggeblieben ist, zum Turm hinauf und geniessen den herrlichen Anblick auf die Stadt und die vielen Minerette, Kuppeln, Bögen und verwinkelten Häuserdächern. In Samarkand liegt auch ein Cousin des Propheten Mohammed begraben, und natürlich ist diesem ein kleineres Heiligtum (halbfertig restauriert bzw. rekonstruiert) gewidmet (Shahi-Zinda). In einem anderen Stadtteil liegt auch der grosse Timur begraben. Das Mausoleum ist reich geschmückt, allerdings muss man in die Krypta des Grabmals hinuntersteigen, welche dem interessierten Touristen nur gegen eine zusätzliche Gebühr erlaubt ist, das Grab Timurs auch wirklich zu Gesicht zu bekommen.

Es fällt uns auf, dass in Usbekistan die Moscheen und Heiligtümer, im Gegensatz zum Iran, zu reinen Touristenattraktionen verkommen. Anstelle der Koranschüler und Betenden finden sich in den Moscheen und Medressen Teppichläden, Souvenirshops, Musikgeschäfte und anderes. Die Shopbesitzer kämpfen um jeden Besucher, und so sehen wir anstelle der historischen Bauten vorallem Kunst und Souvenirs. Natürlich wird dafür auch noch Eintrittsgeld verlangt! Die Architektur der Medressen, die Übermacht der Minarette, und die schön restaurierten Aussenfassaden der Moscheen und Medressen, mit Tigern und anderen für Muslim ungewöhnlichen Darstellungen geschmückt, sind aber beeindruckend und einen Besuch wert.

Schliesslich reisen wir weiter nach Taschkent, der mit 3 Mio Einwohnern grössten Stadt Usbekistans. Wir übernachten bei Privatleuten, welche wir bei einer Busstation treffen, und erfahren so wiederum einiges über das Leben der Usbeken. Im Taschkent ist auch die Polizei wieder einmal omnipräsent und hält und bei jeder Gelegenheit zur Passkontrolle an. Wie merken bald auch, dass die Familie, die uns beherbergt, Angst bekommt, die Polizei könnte uns und sie entdecken. Offensichtlich darf man ohne vorherige Anmeldung bei Privatleuten nicht übernachten. Doch niemand entdeckt uns. Schliesslich verlassen wir Taschkent in Richtung Kirgisien. Gab es früher noch direkte Zugs- und Busverbindungen zwischen Taschkent und Bishkek, der Hauptstadt Kirigisiens, so merken wir bald, dass alle Zentralasiatischen Republiken verfeindet sind und es diese Verbindungen nicht mehr gibt. So bleibt einem nur der Flug (ca. 150 USD pro Person), die Reise über die Berge mit Taxi, oder die Busfahrt entlang der Hauptstrasse von Taschkent nach Bishkek, welche nun aber über Staatsgebiet von Kasachstan führt. Wir wählen den letzteren Weg und fahren mit einem Minibus zur Grenze Kasachstans. Hier werden unsere Pässe an vier verschiedenen Grenzstationen überprüft, und wir füllen mehrere Deklarationen aus. Bei der letzten Gepäckkontrolle fällt wieder einmal auf, mit welcher Unverschämtheit die Zöllner Touristen ausnehmen wollen. Während alle Usbeken und Kasachen die Kontrolle passieren, werden wir in einen speziellen Raum gerufen, wo uns der Zöllner gleich eröffnet, dass er uns für mehrere Stunden festhalten könne, wenn er wolle. Während die Zöllner in unserem Gepäck wühlen, überlegen wir uns, wie wir hier ohne Bezahlung wohl wieder herausfinden. Nachdem die Zöllner aber im Gepäck kein Geld, bzw. keine Dollars finden, eröffnet der Chefzöllner uns unverblümt, dass wir ihm Geld zahlen sollten, schliesslich wären wir ja reich und er arm. Mit unseren Russischkenntnissen können wir uns aber schliesslich herauswinden und verlassen das Zollhäuschen – weniger einer Flasche Mineralwasser, welche wir dem armen Zöllner schenken. Noch bunter wird es bei der Frage nach einer Toilette, die an der Grenze für Touristen 5 USD kosten soll. Geboten wird dafür ein stickendes Dreckloch, ohne WC-Papier versteht sich. Natürlich bezahlen wir nichts und machen uns auf die Weiterreise. Schliesslich finden wir ca 1.5 km nach der Grenze auch einen Busbahnhof, wo ein einziger Bus nach Bishkek weiterfährt: 12 Stunden Fahrt im unklimatisierten überfüllten Reisebus, dafür sehr billig.